Minderheit und Region heute - 7. bis 9. Klasse

Die Minderheit im Rahmen allgemeiner, regionaler Herausforderungen

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Klasse 7 bis 9
Regionale, nordschleswigsche Traditionen wie Ringreiten werden auch auf Vesterbro in Kopenhagen gepflegt. Foto: Vesterbro Ringridning

Die rechtliche Stellung der Minderheit heute

Die deutsche Volksgruppe in Nordschleswig wird durch die Charta für Minderheiten- und Regionalsprachen des Europarats, welche auch von Dänemark unterschrieben wurde, besonders geschützt. Deutsch ist eine anerkannte Minderheitensprache in der Region und wird nicht als eine Fremdsprache betrachtet. Etwa 6-8 % der Menschen zwischen Königsau und Staatsgrenze identifizieren sich auf die eine oder andere Weise als Teil der deutschen Volksgruppe. Es gibt jedoch keine offiziellen Zahlen, da die Regierung nicht nach der Gesinnung der Menschen fragen darf.

In den letzten 20 Jahren haben sich Mehrheits- und Minderheitsbevölkerungen über die Grenzen hinweg immer stärker angenähert, ohne jedoch ihre Identität aufzugeben. Das friedliche Zusammenleben von beiden Gruppen wird als Besonderheit der Region angesehen und von hochrangigen Vertretern beider Länder bei jeder Gelegenheit betont.

Foto: dpa

Zukunftsträchtige Region oder Randgebiet?

Die Region Nordschleswig wird als Randgebiet angesehen, was bedeutet, dass sie im Allgemeinen eine geringere Bevölkerungsdichte, eine schlechtere Infrastruktur und eine schwächere Wirtschaftsentwicklung aufweist als die zentralen Gebiete Dänemarks. Arbeits- und Fachkräftemangel in Nordschleswig hat dazu geführt, dass mehrere Tausend Deutsche täglich zu ihrer Arbeit in Dänemark pendeln und manche haben sich auch in Nordschleswig niedergelassen. Die Integration in die dänische Gesellschaft wird durch die etablierte deutsche Volksgruppe erleichtert. Außerdem sind die Deutschkenntnisse und die Kulturkompetenz der Nordschleswiger ein wichtiger Faktor für die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Dänemark, die für die Wirtschaft der Region von Bedeutung ist.

Obwohl der dänische Handel in Deutschland aufgrund niedriger Preise und Steuern größer ist, spielen deutsche Kunden in der Region eine wichtige Rolle. EU-Regeln und das SEPA-System erleichtern grenzüberschreitende Dienstleistungen, auch wenn Dänemark noch nicht den Euro als Währung eingeführt hat.

Bier und Erfrischungsgetränke sind neben Süßigkeiten und Reinigungsmitteln beliebte Waren im Grenzhandel. Foto: dpa

Sowohl-als-auch statt entweder- oder

Früher gab es kaum Diskussionen darüber, ob man zur deutschen Minderheit oder zur dänischen Mehrheit gehört. Doch heute suchen junge Menschen ihre Identität auf eigene Weise und unter verschiedenen Einflüssen. Das nennt man Individualisierung. Man denkt darüber nach, wie man sich in der Gesellschaft entwickeln und akzeptiert werden kann (erhöhte Selbstreflexion). Althergebrachte Werte und Normen werden nicht mehr als selbstverständlich erachtet und hinterfragt (Enttraditionalisierung).

In der heutigen globalisierten Welt entscheiden sich viele Jugendliche pragmatisch und hinterfragen ihre Zugehörigkeit zu einer festen Gruppe oder einem Ort. Die nationale Zugehörigkeit hat bei vielen jungen Menschen nicht mehr den dominanten Identifikationswert wie in früheren Generationen. Viele junge Menschen begründen ihre Zugehörigkeit zur deutschen Minderheit gerade durch ihre Mehrströmigkeit und beziehen auch das Dänische mit ein. Das erleichtert auch gemischt deutsch-dänischen Familien sowie solchen mit anderen kulturellen Hintergründen die Identifikation mit der deutschen Minderheit und ihren Einrichtungen. Es gibt jedoch oft eine Gegensätzlichkeit zu einsprachigen Vertretern der Mehrheitsbevölkerung, die oft wenig Wissen über den deutschen Bevölkerungsteil haben.

Problem Abwanderung, vor allem aus ländlichen Gebieten

In Nordschleswig steht heute nicht nur die Identität der deutschen Gemeinschaft im Fokus, sondern auch der wirtschaftliche Aspekt. Es ist entscheidend für den Fortbestand der Gemeinschaft, dass es genug Arbeitsplätze und Bildungsmöglichkeiten in der Region gibt.

Obwohl Nordschleswig in den vier großen Städten sowie in kleineren Orten ein umfassendes Bildungsangebot hat, ist dieses oft nicht ausreichend. Viele Studiengänge und Ausbildungen müssen außerhalb der Region absolviert werden. Einige Bildungseinrichtungen wie die Abteilungen der Süddänischen Universität in Sonderburg sowie im nahen Esbjerg und Kolding oder das University College in Hadersleben bieten zwar einige Möglichkeiten, aber es gibt immer noch viele Bereiche, in denen man die Region verlassen muss.

Auch der Mangel an qualifizierten Arbeitsplätzen erschwert vielen die Rückkehr in die Region. Obwohl die Arbeitslosigkeit in Nordschleswig seit den 1990er Jahren niedrig ist und es einige große Unternehmen mit Stammsitz in der Region gibt, ist die Auswahl an Arbeitsplätzen im Vergleich zu den größeren Städten begrenzt. Die Region ist immer noch weit davon entfernt, ein integrierter Arbeitsmarkt zu sein. Die Staatsgrenze stellt nach wie vor eine Barriere dar und der grenzüberschreitende Arbeitsmarkt ist noch nicht gut entwickelt. Es pendeln nur wenige Menschen über die Grenze, obwohl es für Angehörige der deutschen Gemeinschaft von Vorteil sein kann, da sie Sprachkenntnisse haben, die in der Region benötigt werden.

Regionale, nordschleswigsche Traditionen wie Ringreiten werden auch auf Vesterbro in Kopenhagen gepflegt. Foto: Vesterbro Ringridning

Das Problem wird durch ungünstige Prognosen verschärft. In ländlichen Gebieten ist es schwierig, Kredite für den Hauskauf zu bekommen, weil die Kreditgeber einen Wertverfall der Immobilien erwarten. Die Bevölkerungszahl schrumpft vor allem in ländlichen Gebieten. Die Kommune Tondern verlor in den letzten Jahren viele Bewohner und auch die deutsche Minderheit ist davon betroffen. Einige Institutionen, wie zum Beispiel die traditionsreichen deutschen Schulen in Hoyer und Osterhoist, mussten bereits schließen.

Auch die Region südlich der Grenze wird als strukturschwach wahrgenommen. Eines der Hauptprobleme ist die schwache Verkehrsinfrastruktur im Vergleich zu anderen Regionen in Deutschland und Dänemark. Obwohl eine deutsch-dänische Verkehrskommission eingerichtet wurde, ist in der Region bisher wenig passiert. Die Rekonstruktion des zweiten Gleises auf der Haupteisenbahnstrecke zwischen Pattburg und Tingleff, die bereits 1993 im Folketing beschlossen wurde, lässt immer noch auf sich warten.

Die Zukunft der Region zwischen Nordsee und Ostsee bzw. Königsau und Flensburger Förde (und Eider) hängt sowohl von den Akteuren vor Ort als auch von den politisch Verantwortlichen in Kopenhagen, Berlin und Kiel ab. Es ist wichtig, dass sie zusammenarbeiten, um die Region weiterzuentwickeln und die Bedürfnisse der Bewohner zu erfüllen.

Wortschatz

Grundbegriffe

  • Charta für Minderheiten- und Regionalsprachen: Vertrag zum Schutz und zur Förderung von Sprachen, die von Minderheiten und in bestimmten Regionen gesprochen werden.
  • Identität: Merkmale, die eine Person oder Gruppe einzigartig machen.
  • Volksgruppe: Gruppe von Menschen mit gemeinsamen Merkmalen.
  • Kulturkompetenz: Fähigkeit, mit kulturellen Unterschieden umzugehen.
  • SEPA-System: Vereinfacht grenzüberschreitende Euro-Überweisungen.
  • Individualisierung: Trend zur Selbstverwirklichung in modernen Gesellschaften.
  • Enttraditionalisierung: Abbau traditioneller Werte und Normen in modernen Gesellschaften.
  • Integrierter Arbeitsmarkt: Arbeitsmarkt ohne regionale Barrieren.