2020 Schleswig - 8. bis 9.Klasse

Nordschleswig und die Nordschleswiger

Zuletzt aktualisiert um:
Bearbeitet von Grenzgenial
Klasse 8 bis 9
Foto: Deutsches Museum Nordschleswig

(Nord-)Schleswig: Was ist das eigentlich?

Die Geschichte, so wie wir sie in den Geschichtsbüchern lesen, wird meist beeinflusst von der Perspektive der heutigen Nationalstaaten. Dabei wird oft übersehen, dass die Deutung von ein und demselben Ereignis aus unterschiedlichen nationalen Blickwinkeln sehr unterschiedlich sein kann. Außerdem wird oft nicht berücksichtigt, dass verschiedene Regionen in einem Staat sehr unterschiedliche Geschichten haben können.

In Dänemark gilt dies besonders für den südlichen Landesteil zwischen der deutschen Grenze und dem Fluss Köningsau (Kongeåen). Natürlich haben auch andere Regionen durch besondere Ereignisse vor Ort eine eigenständige Geschichte, doch diese Region unterscheidet sich auch in der politischen Geschichte stark vom übrigen Dänemark.

Fakten

Zeitliche Einordnung 

  • 1460: Vertrag von Ribe (Schleswig und Holstein sollen auf ewig ungeteilt sein)
  • 1848: 1. Schleswigsche Krieg (1848-1851)
  • 1851: Friedensverhandlungen
  • 1864: 2. Schleswigsche Krieg
  • 1866: Prager Frieden (Schleswiger haben das Recht sich nach Dänemark zurückzuwählen §5)
  • 1914: 1. Weltkrieg (1914-1918)
  • 1920: Volksabstimmung (der nördliche Teil von Schleswig stimmt sich zurück nach Dänemark)
  • 1955: Bonn-Kopenhagener Erklärungen (die Anerkennung der Minderheit im jeweiligen Staat)

 

Eigenständige Geschichte

Schriftliche Quellen geben uns Informationen darüber, dass das Gebiet bis ins 9. Jahrhundert unter dänischen Königen stand. Ab dem 12. Jahrhundert kristallisierte sich jedoch eine Sonderstellung dieser Region heraus. Diese Geschichte erscheint deutlich komplizierter als jene des Königreichs Dänemarks nördlich von der Königsau. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die Eroberung der Region durch das Königreich Preußen im Jahr 1864 „Der zweite schleswigsche Krieg“.

Die Grenzen des Herzogtums Schleswig und der heutigen Deutsch-Dänischen Grenze Foto: Deutsches Museum Nordschleswig

Nach Deutschlands Niederlage im Ersten Weltkrieg (1914-1918) wurde Nordschleswig erstmals zu einer eigenständigen Größe, als nach einer Volksabstimmung eine neue Grenze gezogen wurde und eben dieser nördliche Teil der Region fester Bestandteil des Königreichs Dänemarks wurde.

 

Warum Herzogtum Schleswig?

Der Name „Nordschleswig“ bezieht sich auf die Zugehörigkeit zum alten Herzogtum Schleswig, wie die beschriebene Region zwischen der Königsau und Eider jahrhundertelang offiziell genannt wurde.

Schleswig war im Hochmittelalter nicht nur der mit Abstand wichtigste Handelsplatz weit und breit, sondern wurde auch Residenzstadt des immer eigenständiger agierenden Herrscherhauses. Diese Landesherren wurden fortan als Herzöge bezeichnet. Sie waren nicht nur Militärbefehlshaber, sondern standen auch an der Spitze der Verwaltung.

In der Rangfolge standen Herzöge eine Stufe unter den Königen, was sich auch in den Wappen des Königreichs Dänemarks (drei Löwen) und des Herzogtums Schleswig (zwei Löwen) widerspiegelt. Der Titel des Kaisers stand noch über dem des Königs, während ein Graf unter einem Herzog stand. Dies bedeutete allerdings keinesfalls, dass ein Herzog immer einem König unterstellt sein musste.

 

Schleswig oder Sønderjylland?

Wahlplakat der deutschen Seite zur Volksabstimmung 1920. Aussage des Plakates: Man wehrt sich von deutscher Seite gegen den Begriff Südjütland, da dies impliziert, dass man zu der jütischen Halbinsel gehöre und somit zu Dänemark. Foto: Deutsches Museum Nordschleswig

Während der Landesteil zwischen Königsau und Staatsgrenze im deutschen Sprachgebrauch heute in der Regel „Nordschleswig“ genannt wird, bevorzugt man in der dänischen Sprache die Bezeichnung „Sønderjylland“. Der südliche, zu Deutschland gehörende Teil der historischen Region zwischen Staatsgrenze und der Eider, wird im deutschen Sprachgebrauch meist der „Landesteil Schleswig“ (nämlich von Schleswig-Holstein) genannt, während er im Dänischen als „Sydslesvig“ bezeichnet wird.

Diese unterschiedlichen Benennungen weisen schon auf den ersten Blick einige Widersprüche auf. Sie lassen sich durch die nationalen Konflikte zwischen Deutsch und Dänisch erklären, die während des zweiten Drittels des 19. Jahrhunderts immer deutlicher zutage traten und in den Kriegen 1848-50 „Der erste Krieg um das Herzogtum Schleswig“ und 1864 eskalierten. Auch wenn sich der Gegensatz ab 1955 entspannte, Dänemark und Deutschland seither in fast allen Bündnissen eng zusammenarbeiten und die grenzüberschreitende Region mit ihrer Minderheitenordnung gerne als Modell für vorbildliche Konfliktlösung gepriesen wird, wirkt der historische Konflikt bis heute nach – und das äußert sich nicht zuletzt in der Benennung der Region bzw. ihrer Teile nördlich und südlich der deutsch-dänischen Staatsgrenze.

Die Bezeichnung „Schleswig“ wird auch in der dänischen Fassung „Slesvig“ von vielen Dänen als deutsch empfunden. „Sønderjylland“ betont umso stärker die Verbundenheit zu Jütland und damit zu Dänemark. Heute benennt man damit in der Regel nur den zu Dänemark gehörenden nördlichen Teil des alten Herzogtums, obwohl sowohl im Hochmittelalter als auch bis 1920 damit die gesamte Region gemeint war.

Im deutschen Sprachgebrauch wiederum betrachtet man Schleswig-Holstein als Einheit. Deshalb ist das ohnehin eine eigene Verwaltungseinheit darstellende Gebiet zwischen Eider und Staatsgrenze der „Landesteil Schleswig“. Die Bezeichnung „Nordschleswig“ betont die historische Verbindung des Gebiets nördlich der Grenze zu ebenjenem Schleswig-Holstein.

Wer hingegen die Besonderheit der Region beiderseits der deutsch-dänischen Staatsgrenze hervorheben möchte, spricht von „Nordschleswig“ und „Südschleswig“ – und von „Schleswig“, wenn die gesamte historische Region gemeint ist.

Häufig wird die Region schlicht als „Grenzland“ oder etwas weniger anonym als „schleswigsches“ oder „deutsch-dänisches“ Grenzland bezeichnet. Damit wird naturgemäß die vorrangige Bedeutung der Staatsgrenze für die Region hervorgehoben und weniger die gemeinsame Geschichte.

Somit zeigt sich schon allein an dem unterschiedlichen Sprachgebrauch, dass das Gebiet des alten Herzogtums Schleswig eine besondere Geschichte und eine besondere Identität besitzt, deren Erkundung nicht nur für die hier lebenden Menschen von hohem Interesse ist.

Wortschatz

Grundbegriffe 

  • Nationalstaat: Staat, dessen Bürger eine gemeinsame Sprache und Kultur haben
  • Herrscherhaus: Eine Familie, aus der mehrere Herrscher hervorgehen, bzw. hervorgegangen sind.
  • Verwaltungseinheit: Gebiet, das sich aus der Aufteilung eines Staatsgebiets in kleinere Zuständigkeitsbereiche ergibt.