1864 - 1918 - 8.Klasse

Nordschleswig unter der Monarchie der Hohenzollern

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Preußischer Postadler aus Rinkenis Foto: Deutsche Museum Nordschleswig

Die politische Entwicklung und nationale Gegensätze

Vom Herzogtum zur Teil-Provinz Preußen

Mit dem Ende des Krieges 1864 und dem Wiener Frieden war das Herzogtum Schleswig mit leicht veränderten Grenzen preußisch geworden. Der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck hatte kein Interesse an einem eigenständigen deutschen Schleswig-Holstein.

Preußen hatte sich mit Österreich überworfen und dieses in einem weiteren Krieg 1866 besiegt. So wurde Österreich aus dem Deutschen Bund hinausgedrängt. Schleswig-Holstein wurde 1868 in eine preußische Provinz umgewandelt. Die Gesetzgebung wurde schnell jener in ganz Preußen angepasst, was auch manche Modernisierung mit sich führte. Das Dänische blieb als Kirchen- und Schulsprache zunächst weitgehend unangetastet. Im Prager Frieden von 1866 wurde sogar die Möglichkeit einer eventuellen Volksabstimmung über die Staatszugehörigkeit des nördlichen Schleswig verankert. Eine solche wurde jedoch nicht ernsthaft erwogen. Ab Ende der 1870er Jahre wurde die Vorrangstellung der deutschen Sprache ausgebaut. Ab 1889 sollte sie reichsweit alleinige Schul- und Amtssprache sein.

Der dänische Bevölkerungsteil organisierte seine Kultur- und Spracharbeit in zahlreichen Vereinen und errichtete allerorts eigene Versammlungshäuser. Auch gelang es ihnen, bei jeder Wahl Abgeordnete in den deutschen Reichstag und in das preußische Abgeordnetenhaus zu wählen.

Doch auch die deutsche Seite bemühte sich verstärkt um nationalpolitische Kulturarbeit in den nördlichen Landesteilen und gründete zahlreiche Vereine mit nationalpolitischen Anliegen. 1894 wurde auf private Initiative hin der Knivsberg als Sammlungsort für deutsche Volksfeste ausgebaut und dort ein weithin sichtbarer Bismarck-Turm mit Denkmal errichtet. Grundsätzlich konnten sich die Deutschgesinnten als Angehörige der Staatsnation fühlen. Zahlreiche Bedienstete der Staatsbehörden - neben Verwaltung und Polizei auch die flächendeckend ausgebaute Post und Bahn - aus dem übrigen Reich hinzuzogen.
 

Fahne des Deutschen Vereins für das nördliche Schleswig - Ortsabteilung Hoptrup Foto: Deutsches Museum Nordschleswig

Verschärfte Gegensätze: Die "Köllerpolitik"

Die Regierungszeit von Ernst Matthias von Köller als Oberpräsidenten von Schleswig-Holstein setzte von 1897 bis 1901 den Tiefpunkt im nationalen Konflikt jener Zeit. Die dänische Sprache sollte aus den Schulen verdrängt werden. Vielen dänischen Staatsbürgern, darunter auch viele Einheimische, wurde das feste Aufenthaltsrecht entzogen. Dieser verschärfte Nationalitätenkampf von oben endete jedoch mit Köllers baldiger Versetzung. Die dänische Volksgruppe und ihre Vertreter verstanden es, die ihnen in der deutschen Rechtsordnung zugestanden Bürgerrechte auch durchzusetzen.

Das Verhältnis zwischen dem Deutschen Reich und Dänemark war relativ ruhig. In Dänemark und Deutschland gab es wie andernorts in Europa erhebliche innere soziale und politische Spannungen. Die Demokratisierung war ab 1864 in Dänemark nicht weitergekommen. Die Regierungen wurden nach wie vor vom König ernannt und konnten teilweise autoritär am Parlament vorbei regieren.

In Deutschland gab es zwar seit 1871 einen von einem erheblichen Teil der männlichen Bevölkerung gewählten Reichstag. Doch dessen Einfluss auf die Regierungsbildung blieb bis 1918 begrenzt. Den Wahlkreis Hadersleben-Sonderburg gewann praktisch immer ein dänischer Vertreter. Auch im preußischen Landtag in Berlin, der nach dem Dreiklassenwahlrecht gewählt wurde, gab es dänische Vertreter aus den nördlichen Wahlkreisen. Doch auch der Landtag hatte noch nicht die Befugnisse eines demokratischen Parlaments.

Randlage und Modernisierung

Im nördlichen Schleswig ging es hier wirtschaftlich vor allem ab den 1890er Jahren aufwärts. Industrialisierung, Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur und neue Wege in der Sozialpolitik führten zu wirtschaftlichem Wachstum. Tondern und die Westküste profitierten allerdings vergleichsweise weniger. Im Vergleich zu Flensburg und einigen Gegenden in Holstein einerseits und zu den meisten Städten im südlichen und östlichen Jütland andererseits blieb das Wachstum in den schleswigschen Städten jedoch eher bescheiden. Das größte Wachstum erlebte Sonderburg, da es zudem Marinestandort wurde.

Marinestation in Sonderburg Foto: Deutsches Museum Nordschleswig

Neue Verkehrswege

Trotz des Ausbaus von Chausseen seit den 1830er Jahren blieb der Landverkehr eher lokal begrenzt. Wichtiger war zunächst die Eisenbahn. Die verband schon in den 1860er Jahren über die östliche Nord-Süd-Hauptbahn den Landesteil mit dem übrigen Deutschland und Dänemark. Die Städte Tondern, Apenrade und Hadersleben wurden allerdings nur durch Nebenbahnen mit dieser verbunden. Um die Abzweigebahnhöfe Tingleff, Rothenkrug und Woyens bedeutende neue Siedlungen entwickelten. Ab 1880 entstand ein dichtes Netz an Nebenbahnen und meterspurigen Kleinbahnen, welche in Regie der Landkreise betrieben wurden. 

Auch der Schiffsverkehr nahm zu. Dampfschiffe fuhren im Linienbetrieb auf den Förden und zu den Inseln. Auch der - meist lokal begrenzte - Ausflugsverkehr nahm zu und es entwickelte sich ein regelrechter Tourismus vor allem an Badeorten. Deren bekanntester im heutigen Nordschleswig das neu gegründete Lakolk auf Röm wurde.

Großindustrie entwickelte sich in Nordschleswig in der Kaiserzeit nicht. Dennoch entstanden zahlreiche mittlere und vor allem kleinere Industriebetriebe, z.B. in den Bereichen Eisengießerei und Maschinenbau. Ein Beispiel für versäumte Innovation war allerdings das Ende der Werften in Apenrade. Diese hatten den Umstieg von Holz- auf Metallschiffbau nicht geschafft.

Wie in anderen Teilen Europas führten fehlende Perspektiven zur Auswanderungen eines erheblichen Teils der jüngeren Bevölkerung. Durch immer mehr Geburten und einer zunehmend sinkenden Kindersterblichkeit war diese Bevölkerungsgruppe immer größer geworden. Nordschleswig war von der Auswanderung nicht überproportional betroffen.

Die deutsch-dänische Grenze südlich von Ripen, am mittleren Lauf der Königsau und südlich von Kolding war in erster Linie als Zollgrenze von Bedeutung. Dennoch gab es einigen Handel über diese Grenze hinweg. Gleiches galt für den Personenverkehr, der angesichts der damaligen verkehrstechnischen Möglichkeiten jedoch recht begrenzt blieb. An den Grenzübergängen gab es Zollstellen. Schlagbäume wurden erst nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs eingeführt.

 

Das Ende einer Epoche

Wachsende Gegensätze zwischen den europäischen Großmächten führten 1914 in die Katastrophe des Ersten Weltkriegs. Auch tausende junger Nordschleswiger mussten unabhängig von ihrer nationalen Gesinnung in den Krieg ziehen. Viele kehrten nicht mehr oder traumatisiert nach Hause zurück.

Auch wenn Dänemark nicht am Krieg beteiligt war, eröffnete die Niederlage des Deutschen Reichs 1918 neue Möglichkeiten zu einer Grenzkorrektur. Hier setzte sich auf dänischer Seite der Realpolitiker H.P. Hanssen durch. Der zuvor mehrere Jahre lang dänischer Vertreter im deutschen Reichstag gewesen war. Er wandte sich gegen dänische Forderungen nach Wiedereingliederung des gesamten alten Herzogtums Schleswig bis zur Eider unter der dänischen Krone. Stattdessen setzte er sich für eine Grenzlinie ein, mit der nur ein für Dänemark vertretbar großer – und kurz über lang assimilier barer – deutscher Bevölkerungsteil zu Dänemark kommen sollte.

 

Fakten

Historische Einordnung