1848-1864

Die Zeit der Kriege um das Herzogtum Schleswig

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Die Zeit der Kriege um das Herzogtum Schleswig

 

Revolution und Bürgerkrieg

Nicht nur in der dänischen Monarchie und in den zugehörigen Herzogtümern, sondern in vielen europäischen Staaten waren die 1840er Jahre eine Zeit mit zunehmenden Spannungen. dies betraf sowohl die politischen Verhältnisse als auch wirtschaftliche und soziale Fragen.

1848 kam es zu einer regelrechten Revolutionswelle in Europa, deren Ausgangspunkt wieder einmal Frankreich war. Hier setzten unzufriedene Bürger im Februar den seit 1830 regierenden "Bürgerkönig" Louis Philippe ab und riefen die Zweite Republik aus - die ihrerseits nur bis 1851 halten sollte. Auch in vielen deutschen Staaten verschafften sich revolutionäre Strömungen Einfluss, welche die bisherigen Machtverhältnisse in Frage stellten. 1848 gelang es erstmals, eine deutsche Nationalversammlung mit Vertretern aus allen deutschen Bundesstaaten zu wählen, welche in der Paulskirche der damals noch freien Stadt Frankfurt zusammentrat. Allerdings sollte sie schon nach wenigen Monaten scheitern, da man sich nicht über die künftigen Grenzen eines deutschen Nationalstaats einigen konnte, der zunächst stark von der Revolution im eigenen Land unter Druck gesetzte preußische König Friedrich Wilhelm IV. die angebotene Kaiserkrone ablehnte und die Fürsten letztendlich ihre Macht zurückgewinnen konnten.

Besonders nachhaltige Folgen hatte diese Revolutionswelle in der dänischen Monarchie. Der Tod König Christians VIII. und der Regierungsantritt des wenig machtambitionierten und kinderlosen Frederik/Friedrich VII. boten die Gelegenheit zur Durchsetzung weitreichender Reformen. In der Tat gab dieser umgehend der Forderung nach Ausarbeitung einer Verfassung nach, als sich am 21.3. eine neue bürgerliche Regierung gebildet hatte (martsministeriet).

Dies sorgte allerdings für Verunsicherung in den Herzogtümern. Man fürchtete eine Dominanz der (eider-)dänischen Nationalbewegung in der Kopenhagener Politik und eine Dominanz der dänischen Zentrale in einem künftigen Staat. Am 23.3. nahmen deutsch-schleswig-holsteinisch gesinnte Kräfte in Kiel das Heft selbst in die Hand, ohne die Rückkehr einer zuvor nach Kopenhagen entsandten Delegation abzuwarten. Da man den Landesherrn Friedrich VII. in Kopenhagen als unfrei ansah, bildete man eine "provisorische Regierung" für die Herzogtümer, welche zunächst die Geschicke vor Ort ordnen sollte. Sie wurde umgehend in den meisten Städten anerkannt, so auch in Tondern und Apenrade, etwas zögerlicher jedoch in Flensburg und Hadersleben.

Kriegsminister war Prinz Friedrich von Noer, der Bruder des Augustenburger Herzogs Christian August, welcher sich als legitimer Nachfolger Friedrichs VII. in den Herzogtümern betrachtete. Ihm gelang es, die Festung Rendsburg zu überrumpeln und den allergrößten Teil der dort stationierten Soldaten unter sein Kommando zu bringen. Unterstützt durch weitere Freiwillige versuchte er die Kontrolle über ganz Schleswig zu erlangen, wurde jedoch am 9.4. in der Schlacht von Bau - die südlich dieses Kirchdorfs und in der Flensburger Neustadt stattfand - von den anrückenden dänischen Truppen zurückgeschlagen. Allerdings gelang den meisten der über 2000 Soldaten der Rückzug nach Rendsburg, wo man sich auch mit Hilfe aus Preußen und anderen deutschen Bundesstaaten verstärken konnte. Der deutlich verstärkten Schleswig-Holsteinischen Armee gelang bereits zwei Wochen später ein Sieg bei Schleswig; sie überschritt am 20.4. die Königsau und nahm am 3.5. sogar die Festung Fredericia ein. In Nordschleswig kam es vereinzelt zu Kampfhandlungen, am schwersten im Sundewitt und um die Düppeler Höhe. Der unter internationaler Vermittlung zustandegekommene Waffenstillstand von Malmö (26.8.1848) führte zunächst zu einer Atempause und zum Rückzug aus dem nördlichen Schleswig.

 

Verfassungsbestrebungen

Der Waffenstillstand wurde nicht nur zur Verstärkung der Truppen genutzt, sondern auch zur Ausarbeitung der Verfassungen, worauf man sich auf bereits vor 1848 begonnen Vorarbeiten stützen konnte. Den Schleswig-Holsteinern gelang es noch 1848, ein Staatsgrundgesetz zu veröffentlichen, welches für die damalige Zeit schon weitreichende demokratische Züge aufwies. Ähnliches galt für das am 5. Juni 1849 präsentierte dänische Grundgesetz, das aber im Herzogtum nicht zur Anwendung kam, auch nicht in den Folgejahren bis 1864. Es bildet aber noch heute die Grundlage des in der Zwischenzeit mehrfach erneuerten dänischen Grundgesetzes, welches seit dem 15.6.1920 bekanntlich auch in Nordschleswig gültig ist.

 

Die Spaltung des Landes durch den Krieg

Bevor das Staatsgrundgesetz seine Wirkung entfalten konnte, wurde Schleswig aber wieder Kriegsschauplatz. Im April 1849 wehrten schleswig-Holsteinische Truppen einen dänischen Seeangriff bei Eckernförde ab und stießen bis Fredericia vor, dessen Belagerung aber am 3.7. von dänischen Truppen durchbrochen werden konnte. Nach einem erneuten international vermittelten Waffenstillstand vom 10.7.1849 kam ganz Schleswig unter eine Gemeinsame Regierung mit britischer, preußischer und dänischer Beteiligung.

Der Krieg führte dazu, dass die Menschen im national gemischten Herzogtum Schleswig sich entscheiden mussten. Für das Wirtschaftsleben war der Krieg eine Katastrophe. Wer sich neutral verhalten wollte, wurde schnell der feindlichen Seite zugeordnet, wie es besonders eindrucksvoll aus den Tagebüchern des Breder Spitzenhändler Jens Wulff hervorgeht.

 

Status quo ante

Ein Jahr nach dem Waffenstillstand schloss das inzwischen wieder fest monarchisch regierte Preußen endgültig Frieden mit Dänemark und zog sich ebenso wie Großbritannien aus der Gemeinsamen Regierung zurück. Dadurch flammte der Krieg im Herzogtum Schleswig ein drittes Mal auf, nun standen sich die Bürgerkriegsparteien wieder alleine gegenüber. Am 25.7.1850 konnte die Armee des dänischen Staates bei Idstedt in einer äußerst blutigen Schlacht - vermutlich sogar der verlustreichsten in der modernen nordeuropäischen Geschichte - den aufständischen Schleswig-Holsteinern die vorentscheidende Niederlage zufügen. Diese gaben jedoch erst auf, nachdem sie in Friedrichstadt, das dabei schwer zerstört wurde, praktisch vollständig besiegt worden waren.

Die dänische Regierung übernahm nun wieder die Verwaltung in den drei Herzogtümern. 1852 musste sie nach dem Londoner Protokoll allerdings zusichern, dass das Herzogtum Schleswig nicht enger als Holstein an das Königreich gebunden werden durfte. Damit wurde den eiderdänischen Plänen nach völliger Eingliederung des Herzogtums ein Riegel vorgeschoben. An Stelle der früheren Deutschen bzw. Schleswig-Holstein-Lauenburgischen Kanzlei und der Rentekammer traten nun Ministerien für Schleswig und Holstein-Lauenburg als höchste Regierungsbehörden. 1854 erhielten Schleswig und Holstein eigene Verfassungen für die innere Verwaltung und standen unter einer übergeordneten Gesamstaatsverfassung; ein wirkliches Grundgesetz gab es jedoch nach wie vor nur im Königreich.

 

Ungelöste Konflikte und zögerliche Reformen

Der Krieg hatte die nationalen Konflikte zum dominierenden Problem im Herzogtum Schleswig gemacht. Allerdings war kein einziges Problem gelöst worden, das zu seinem Ausbruch geführt hatte. Beide Nationalbewegungen hatten kein Ziel erreicht, Schleswig behielt seinen Sonderstatus und blieb national gemischt, Holstein und Lauenburg blieben deutsche Bundesstaaten unter dänischer Herrschaft.

Ungeachtet der nationalen Konflikte gab es viele soziale und wirtschaftliche Probleme zu lösen. Auch weitere politische Reformen waren fällig, doch blieb die Regierung gerade auf diesem Gebiet zögerlich. Die Ständeversammlungen wurden fortan sogar nur alle drei Jahre einberufen. Die nun nach Flensburg verlegte schleswigsche Versammlung blieb jedoch ein wichtiges Forum für (national-)politische Konflikte. Schleswig-holsteisch gesinnte Abgeordnete hatten die Mehrheit, doch der meist von Laurids Skau und Hans A. Krüger angeführte dänische Gruppe brachte häufig Minderheitenvoten hervor, welche bei der Regierung Gehör fanden.

Zwar gelang 1853 eine Rechts- und Verwaltungsreform, welche die kirchlichen und adeligen Gerichtsbezirke endgültig aufhob. Doch weder gelang die Durchsetzung der Gewaltenteilung auf unterer Ebene noch eine umfassende Kommunalreform wie im Königreich. 1861 wurde erstmals ein Amtsrat gewählt, allerdings nur im nördlichen Amt Hadersleben. Diesem gelang immerhin die Einrichtung eines Krankenhauses in Gramm. Der dänisch dominierte Amtsrat arbeitete hier offenbar gut mit dem holsteinischen Amtsarzt Martin Reimers zusammen.

 

Der Weg in den nächsten Krieg

Andernorts verhinderten die nationalen Gegensätze wichtige Reformen. In der veröffentlichten Meinung in Deutschland war man auf eventuelle dänische Unterdrückungsmaßnahmen sehr aufmerksam. Auch vor Ort wurden z.B. Ämterbesetzungen oft nationalpolitisch gedeutet und national anders als die Wortführer vor Ort gesinnte Ärzte, Lehrer usw. als Gegner behandelt. So kam es weder zu einer übergeordneten Sozialpolitik - trotz drängender Armutsprobleme - noch zu weiteren politischen Reformen.

Für besonderen Unmut hatte die Sprachpolitik des Ministeriums für Schleswig gesorgt. Nach dem Plan des aus Apenrade stammenden Ministerialsekretärs August Regenburg sollte das Dänische in ganz Nordschleswig bis auf die Städte alleinige Amts- und Schulsprache sein. In den Städten sowie im Dreieck Tondern-Viöl-Gelting sollten beide Sprachen gültig sein, Deutsch aber in Schule und Kirche nur noch Nebensprache. Nur in Nordfriesland und in den südlichen Landesteilen ud Südangeln (sowie in Flensburg) sollte Deutsch alleinige Amtssprache sein. Dies wurde von vielen Deutschgesinnten als Affront aufgefasst und trug das Seine zur Schärfung des Konflikts bei.

Hinzu kam ein ständiger Konflikt um die gemeinsame Verfassung. Die Herzogtümer forderten die Hälfte der Sitze im gemeinsamen Reichsrat und ein Vetorecht für die einzelnen Landesteile. Aber auch wegen der holsteinischen Landesverfassung gab es Konflikte. 1858 wurde diese schließlich ausgesetzt, womit zunächst Holstein in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses geriet.

Doch auch in Schleswig schwelte der Konflikt weiter. 1863 löste sich die schleswigsche Ständeversammlung praktisch selbst auf, als die deutschgesinnte Mehrheit die Wahl des Tonderaner Amtsarztes F.F. Ulrich anfocht, weil dieser als dänischer Staatsbeamter nicht hätte kandidieren dürfen. Der unerwartete Tod des Königs im November 1863 in Glücksburg brachte gemäß dem Londoner Protokoll von 1852 Christian IX. aus der jüngeren Sonderburg-Glücksburger Linie auf den Thron. Als eine seiner ersten Amtshandlungen wurde ihm eine neue Verfassung vorgelegt, die er umgehend unterschrieb. Diese sollte aber nur für Dänemark und Schleswig gelten, was gegen die internationale Übereinkunft von 1852 verstieß. In der Folge besetzten deutsche Bundestruppen das nun gegen die Pflicht der Bundesakte wieder verfassungslose Holstein, wo sich umgehend der Augustenburger Herzog Friedrich zum Herzog ausrufen lassen wollte. Doch der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck hatte andere Pläne.

 

Der Krieg 1864 und die Folgen

Unter Berufung auf das Londoner Protokoll drohte Bismarck mit Konsequenzen, falls die dänische Regierung die Novemberverfassung nicht zurücknehmen sollte. Die dänische Regierung stand international isoliert da. Doch weder der zum Jahresende zurückgetretene Konseilspräsident C.C. Hall noch dessen Nachfolger D.G. Monrad rechneten offenbar mit der militärischen Entschlossenheit Preußens und Österreichs und dem Ausbleiben anderweitiger Unterstützung. Nachdem das Ultimatum verstrichen war, überschritten die Truppen der beiden Mächte am 1.2.1864 die Eider. 14 Jahre nach dem Dreijahreskrieg wurde das Herzogtum Schleswig wieder Kriegsschauplatz.

Bereits im Februar gelang den Verbündeten die Eroberung weiter Teile Schleswigs. Das Gros der dänischen Truppen hatte sich vom Dannewerk in die Düppel-Stellung zurückgezogen. Britische Vermittlungsversuche fruchteten nicht, die dänische Regierung hielt weiterhin an ihren Forderungen fest und wollte nicht auf Kompromisse wie eine etwaige Teilung Schleswigs eingehen. Am 18.4. eroberten preußische Truppen schließlich Düppel und nach dem Scheitern weiterer Verhandlungen am 29.6. auch die Insel Alsen, nachdem Sonderburg schwere Zerstörungen durch Beschuss hatte erleiden müssen.

Hiernach musste die dänische Regierung nachgeben, zumal österreichische Truppen inzwischen weit nach Jütland vorgedrungen waren. Im Wiener Frieden verzichtete Christian IX. auf alle Ansprüche an den Herzogtümern. Ganz Schleswig fiel an Preußen, nur einige Grenzgebiete und Ærø wurden gegen bisher zum Königreich gehörende Gebiete in Nordfriesland und im Bereich Ballum-Mögeltondern ausgetauscht.

Für den deutsch gesinnten Bevölkerungsteil auch im Norden des Herzogtums Schleswig bedeutete dies, dass man nun einem sehr viel größerem deutschsprachigen Staat und angehören sollte und damit im nationalpolitischen Sinn Teil des Staatsvolks wurde. Ein eigenständiges Schleswig-Holstein war nicht vorgesehen. Doch angesichts der bald vollzogenen Gründung eines einheitlichen deutschen Kaiserreichs arrangierten die deutschen Schleswiger sich bald mit der Zugehörigkeit zu Preußen.