1848-1858 - Gymnasium

Der erste Krieg um das Herzogtum Schleswig und die Folgen

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Die original Pickelhaube des Prinzen von Noer Foto: Deutsches Museum Nordschleswig

Revolution und Bürgerkrieg

Nicht nur in der dänischen Monarchie und in den zugehörigen Herzogtümern, sondern in vielen europäischen Staaten waren die 1840er Jahre eine Zeit mit zunehmenden Spannungen. dies betraf sowohl die politischen Verhältnisse als auch wirtschaftliche und soziale Fragen.

1848 kam es zu einer regelrechten Revolutionswelle in Europa, deren Ausgangspunkt wieder einmal Frankreich war. Hier setzten unzufriedene Bürger im Februar den seit 1830 regierenden "Bürgerkönig" Louis Philippe ab und riefen die Zweite Republik aus - die ihrerseits nur bis 1851 halten sollte. Auch in vielen deutschen Staaten verschafften sich revolutionäre Strömungen Einfluss, welche die bisherigen Machtverhältnisse in Frage stellten. 1848 gelang es erstmals, eine deutsche Nationalversammlung mit Vertretern aus allen deutschen Bundesstaaten zu wählen, welche in der Paulskirche der damals noch freien Stadt Frankfurt zusammentrat. Allerdings sollte sie schon nach wenigen Monaten scheitern, da man sich nicht über die künftigen Grenzen eines deutschen Nationalstaats einigen konnte, der zunächst stark von der Revolution im eigenen Land unter Druck gesetzte preußische König Friedrich Wilhelm IV. die angebotene Kaiserkrone ablehnte und die Fürsten letztendlich ihre Macht zurückgewinnen konnten.

Tasse mit Symbolik der Einheit der beiden Herzogtümer im Verbund mit den anderen deutschen Staaten. Foto: Deutsche Museum Nordschleswig

Besonders nachhaltige Folgen hatte diese Revolutionswelle in der dänischen Monarchie. Der Tod König Christians VIII. und der Regierungsantritt des wenig machtambitionierten und kinderlosen Frederik/Friedrich VII. boten die Gelegenheit zur Durchsetzung weitreichender Reformen. In der Tat gab dieser umgehend der Forderung nach Ausarbeitung einer Verfassung nach, als sich am 21.3. eine neue bürgerliche Regierung gebildet hatte (martsministeriet).

Dies sorgte allerdings für Verunsicherung in den Herzogtümern. Man fürchtete eine Dominanz der (eider-)dänischen Nationalbewegung in der Kopenhagener Politik und eine Dominanz der dänischen Zentrale in einem künftigen Staat. Am 23.3. nahmen deutsch-schleswig-holsteinisch gesinnte Kräfte in Kiel das Heft selbst in die Hand, ohne die Rückkehr einer zuvor nach Kopenhagen entsandten Delegation abzuwarten. Da man den Landesherrn Friedrich VII. in Kopenhagen als unfrei ansah, bildete man eine "provisorische Regierung" für die Herzogtümer, welche zunächst die Geschicke vor Ort ordnen sollte. Sie wurde umgehend in den meisten Städten anerkannt, so auch in Tondern und Apenrade, etwas zögerlicher jedoch in Flensburg und Hadersleben.

Die original Pickelhaube des Prinzen von Noer Foto: Deutsches Museum Nordschleswig

Kriegsminister war Prinz Friedrich von Noer, der Bruder des Augustenburger Herzogs Christian August, welcher sich als legitimer Nachfolger Friedrichs VII. in den Herzogtümern betrachtete. Ihm gelang es, die Festung Rendsburg zu überrumpeln und den allergrößten Teil der dort stationierten Soldaten unter sein Kommando zu bringen. Unterstützt durch weitere Freiwillige versuchte er die Kontrolle über ganz Schleswig zu erlangen, wurde jedoch am 9.4. in der Schlacht von Bau - die südlich dieses Kirchdorfs und in der Flensburger Neustadt stattfand - von den anrückenden dänischen Truppen zurückgeschlagen. Allerdings gelang den meisten der über 2000 Soldaten der Rückzug nach Rendsburg, wo man sich auch mit Hilfe aus Preußen und anderen deutschen Bundesstaaten verstärken konnte. Der deutlich verstärkten Schleswig-Holsteinischen Armee gelang bereits zwei Wochen später ein Sieg bei Schleswig; sie überschritt am 20.4. die Königsau und nahm am 3.5. sogar die Festung Fredericia ein. In Nordschleswig kam es vereinzelt zu Kampfhandlungen, am schwersten im Sundewitt und um die Düppeler Höhe. Der unter internationaler Vermittlung zustandegekommene Waffenstillstand von Malmö (26.8.1848) führte zunächst zu einer Atempause und zum Rückzug aus dem nördlichen Schleswig.

 

Verfassungsbestrebungen

Der Waffenstillstand wurde nicht nur zur Verstärkung der Truppen genutzt, sondern auch zur Ausarbeitung der Verfassungen, worauf man sich auf bereits vor 1848 begonnen Vorarbeiten stützen konnte. Den Schleswig-Holsteinern gelang es noch 1848, ein Staatsgrundgesetz zu veröffentlichen, welches für die damalige Zeit schon weitreichende demokratische Züge aufwies. Ähnliches galt für das am 5. Juni 1849 präsentierte dänische Grundgesetz, das aber im Herzogtum nicht zur Anwendung kam, auch nicht in den Folgejahren bis 1864. Es bildet aber noch heute die Grundlage des in der Zwischenzeit mehrfach erneuerten dänischen Grundgesetzes, welches seit dem 15.6.1920 bekanntlich auch in Nordschleswig gültig ist.

 

Die Spaltung des Landes durch den Krieg

Bevor das Staatsgrundgesetz seine Wirkung entfalten konnte, wurde Schleswig aber wieder Kriegsschauplatz. Im April 1849 wehrten schleswig-Holsteinische Truppen einen dänischen Seeangriff bei Eckernförde ab und stießen bis Fredericia vor, dessen Belagerung aber am 3.7. von dänischen Truppen durchbrochen werden konnte. Nach einem erneuten international vermittelten Waffenstillstand vom 10.7.1849 kam ganz Schleswig unter eine Gemeinsame Regierung mit britischer, preußischer und dänischer Beteiligung.

Der Krieg führte dazu, dass die Menschen im national gemischten Herzogtum Schleswig sich entscheiden mussten. Für das Wirtschaftsleben war der Krieg eine Katastrophe. Wer sich neutral verhalten wollte, wurde schnell der feindlichen Seite zugeordnet, wie es besonders eindrucksvoll aus den Tagebüchern des Breder Spitzenhändler Jens Wulff hervorgeht.

 

Status quo ante

Ein Jahr nach dem Waffenstillstand schloss das inzwischen wieder fest monarchisch regierte Preußen endgültig Frieden mit Dänemark und zog sich ebenso wie Großbritannien aus der Gemeinsamen Regierung zurück. Dadurch flammte der Krieg im Herzogtum Schleswig ein drittes Mal auf, nun standen sich die Bürgerkriegsparteien wieder alleine gegenüber. Am 25.7.1850 konnte die Armee des dänischen Staates bei Idstedt in einer äußerst blutigen Schlacht - vermutlich sogar der verlustreichsten in der modernen nordeuropäischen Geschichte - den aufständischen Schleswig-Holsteinern die vorentscheidende Niederlage zufügen. Diese gaben jedoch erst auf, nachdem sie in Friedrichstadt, das dabei schwer zerstört wurde, praktisch vollständig besiegt worden waren.

Die dänische Regierung übernahm nun wieder die Verwaltung in den drei Herzogtümern. 1852 musste sie nach dem Londoner Protokoll allerdings zusichern, dass das Herzogtum Schleswig nicht enger als Holstein an das Königreich gebunden werden durfte. Damit wurde den eiderdänischen Plänen nach völliger Eingliederung des Herzogtums ein Riegel vorgeschoben. An Stelle der früheren Deutschen bzw. Schleswig-Holstein-Lauenburgischen Kanzlei und der Rentekammer traten nun Ministerien für Schleswig und Holstein-Lauenburg als höchste Regierungsbehörden. 1854 erhielten Schleswig und Holstein eigene Verfassungen für die innere Verwaltung und standen unter einer übergeordneten Gesamstaatsverfassung; ein wirkliches Grundgesetz gab es jedoch nach wie vor nur im Königreich.

 

Ungelöste Konflikte und zögerliche Reformen

Der Krieg hatte die nationalen Konflikte zum dominierenden Problem im Herzogtum Schleswig gemacht. Allerdings war kein einziges Problem gelöst worden, das zu seinem Ausbruch geführt hatte. Beide Nationalbewegungen hatten kein Ziel erreicht, Schleswig behielt seinen Sonderstatus und blieb national gemischt, Holstein und Lauenburg blieben deutsche Bundesstaaten unter dänischer Herrschaft.

Ungeachtet der nationalen Konflikte gab es viele soziale und wirtschaftliche Probleme zu lösen. Auch weitere politische Reformen waren fällig, doch blieb die Regierung gerade auf diesem Gebiet zögerlich. Die Ständeversammlungen wurden fortan sogar nur alle drei Jahre einberufen. Die nun nach Flensburg verlegte schleswigsche Versammlung blieb jedoch ein wichtiges Forum für (national-)politische Konflikte. Schleswig-holsteisch gesinnte Abgeordnete hatten die Mehrheit, doch der meist von Laurids Skau und Hans A. Krüger angeführte dänische Gruppe brachte häufig Minderheitenvoten hervor, welche bei der Regierung Gehör fanden.

Zwar gelang 1853 eine Rechts- und Verwaltungsreform, welche die kirchlichen und adeligen Gerichtsbezirke endgültig aufhob. Doch weder gelang die Durchsetzung der Gewaltenteilung auf unterer Ebene noch eine umfassende Kommunalreform wie im Königreich. 1861 wurde erstmals ein Amtsrat gewählt, allerdings nur im nördlichen Amt Hadersleben. Diesem gelang immerhin die Einrichtung eines Krankenhauses in Gramm. Der dänisch dominierte Amtsrat arbeitete hier offenbar gut mit dem holsteinischen Amtsarzt Martin Reimers zusammen.